Keine Salzlauge aus der Kaliindustrie in den Jadebusen

Bereits während meiner Studienzeit Anfang der sechziger Jahre war die Versalzung der Werra und der Weser durch den Kalibergbau ein viel diskutiertes, aber ungelöstes Problem. Nach den Bestimmungen des Wasserhaushaltsgesetzes waren die direkten Einleitungen aus der Produktion, aber auch die diffusen Einleitungen aus den Abraumhalden unzulässig. Sie wurden im Ausnahmewege aber immer wieder geduldet. Auf Seiten der DDR war ohnehin nicht mit strengen Auflagen zu rechnen, wenn es um den Erhalt eines bedeutenden Industriezweiges ging. Die Vereinigung beider deutscher Staaten führte zu keiner Verbesserung, denn hüben wie drüben waren Lösungen nicht in Sicht und ökonomische Zwänge vorrangig. Seitdem hat sich nur marginal etwas verändert. Das eigentliche Problem wurde aber nicht gelöst. Die Werra und die Weser blieben ökologisch hochgradig gestörte Gewässer.

Erst mit der Wasserrahmenrichtline (Richtlinie 2000/60/EG des europäischen Parlaments und des Rates) vom 23. Oktober 2000 entstand ein unabweisbarer Handlungsdruck mit klaren Fristen. Bewirtschaftungspläne für die Gewässer mussten aufgestellt werden mit dem Ziel eines Verschlechterungsverbotes und eines Verbesserungsgebotes zur Erreichung mindestens eines guten chemischen, physikalischen und ökologischen Zustandes. Bis zum Jahr 2009 waren Maßnahmenprogramme zu erstellen, wie dieser gute Zustand erreicht werden kann. Und bis zum Jahr 2015 musste im Grundsatz der gute Zustand erreicht werden.

Die gewaltigen Umweltschäden einerseits und andererseits die wirtschaftliche Bedeutung des Unternehmens Kali + Salz GmbH in der Region Thüringen und Hessen bargen ein enormes Konfliktpotential. Die Länder Hessen und Thüringen richteten zur Erreichung konsensfähiger Lösungen 2008 einen »Runden Tisch« aus Vertretern der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Firma K+S, der Kommunen sowie der Umwelt- und Fischereiverbände ein.

Neben vielfältigen Vermeidungsmaßnahmen an der Quelle, das heißt an den Produktionsstätten der Kaliindustrie, wurde sehr schnell auch der Bau einer Fernleitung für die Salzlauge in die Nordsee diskutiert und vom »Runden Tisch« als die ökologisch beste Lösung favorisiert. Diese Diskussion fand zunächst mehr an Weser und Werra als an der betroffenen Küste statt. Und zunächst habe auch ich laienhaft und oberflächlich gedacht, warum eigentlich nicht, Salzwasser in Salzwasser einzuleiten ist doch kein Problem. Die Fragen der Konzentration und der Einleitungsstelle an der Außenweser oder Außenelbe erschienen mir durchaus lösbar. Ein Problem sah ich eher in einer Emotions- als in einer Sachdiskussion, insbesondere auch hinsichtlich der Außenwirkung auf den Tourismus.

Als 2014 von den Ländern Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachen das Raumordnungsverfahren zum Bau einer Pipeline für Salzlauge mit Einleitung in den Jadebusen eingeleitet wurde, war es für die SDN an der Zeit, sich ernsthaft in die Diskussion und Planung einzubringen. Der Jadebusen ist nicht nur die letzte große Wattenbucht mit einem austauscharmen Wasserkörper, sondern hat große Bedeutung für die Muscheln, Fische und die Vogelwelt sowie für den Tourismus. Letztlich wurde er wegen seiner enormen Bedeutung für die Ökologie trotz der Nähe zum Hafen- und Wirtschaftsstandort Wilhelmshaven zum Nationalpark erklärt und von der UNESCO als Weltnaturerbe geadelt.

Die SDN brauchte schnell eine fachlich fundierte Entscheidungshilfe für sich und die Mitgliedskommunen sowie für die Vorbereitung eines Kolloquiums, an dem Entscheidungsträger und Betroffene beteiligt sein sollten. Der Vorstand beauftragte das Bremer Büro »gruenblau« für Landschaftsplanung und Umweltberatung von Frau Beate Lange mit der Dokumentation von Verfahren, Daten und Argumenten.

In der von Wolfgang Dormann und Beate Lange vorgelegten Dokumentation werden folgende Punkte deutlich:

• Es gibt Verfahren für die abstoßfreie Produktion. Diesen ist nach dem Eingriffsvermeidungsgebot Vorrang einzuräumen. Andernfalls lägen Verstöße gegen das Abfall-, Wasser- und Naturschutzrecht vor.
• Die Zusammensetzung der Salzlauge entspricht nicht der des Meerwassers. Gefahren für Muscheln und Fischlarven sowie sonstige Organismen gelten als wahrscheinlich.
• Die Einleitung in den Jadebusen würde dem Verschlechterungsverbot der EU-Wasserrahmenrichtlinie widersprechen.
• Auswirkungen auf den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und Natura2000 sind nicht auszuschließen.
• Es ist damit zu rechnen, dass die sensible Tourismuswirtschaft negativ auf eine Einleitung reagieren wird.

In der Summe sprechen diese Punkte fachlich und rechtsformal eindeutig gegen die Einleitung von Salzlauge in den Jadebusen. Dementsprechend hat sich die SDN 2014 öffentlich gegen die Einleitung positioniert: »Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste wird sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese Einleitung wehren«, kündigte der Vorsitzer der SDN, Dieter Harrsen, in einer Pressemitteilung an, in der es weiter hieß: »Er erwartet großen Widerstand entlang der gesamten Nordseeküste. Neben Sachargumenten stünden auch das Wasserrecht und europäische Vorschriften des Meeresschutzes der Einleitung von Salzlauge in den Jadebusen entgegen.«

Überraschend einigten sich K+S und das Hessische Umweltministerium Ende 2015 auf einen Vier-Phasen-Plan, der die Pipeline in den Jadebusen nicht mehr enthält. Soweit es um die Reduzierung der Abwassermengen und die Abdichtung der Abraumhalden geht, ist der Plan unumstritten. Hinsichtlich der Verlagerung der Einleitung von Salzlauge in die Oberweser und die Verpressung von Abfällen in den Untergrund ist der Plan strittig, rechtsbedenklich und in der Realisierung unsicher. Optionen über den Vier-Phasen-Plan – die abstoßfreie Produktion – bieten sich an.

Gleichwohl ist der Plan einer Pipeline in den Jadebusen nicht vom Tisch. Auch wenn derzeit politische Aktivitäten in diese Richtung nicht vorangetrieben werden, ist es Aufgabe der SDN, die Entwicklung wachsam zu beobachten und im Bedarfsfall unverzüglich – wie sagte der erste Vorsitzer der SDN – den Widerstand an der gesamten Nordseeküste zu wecken.

Rudolf-Eugen Kelch
Ehem. Leiter des Umweltamtes des Kreises Nordfriesland
Mitglied im erweiterten Vorstand der SDN, Vorsitzer der SDN von 1998 bis 2010

Dieser Text im PDF-Format: 16-01-18 Keine Salzlauge aus der Kaliindustrie in den Jadebusen

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