Droht der Nordseeküste eine neue Weihnachtssturmflut?

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN) wendet sich gegen Überlegungen, die Küste als Lebens-, Arbeits- Wohn- und Freizeitraum in Richtung Binnenland verlassen zu sollen

Deutsche Nordseeküste. Nach der letzten Eiszeit vor ca. 10.000 Jahren stieg der Meeresspiegel weltweit innerhalb von 2.000 Jahren um ca. 65 Meter. Ab da bildete sich langsam das heutige Nordseebecken. In dieser Zeit gab es Phasen der Transgression und Phasen der Regression. In den Regressionsphasen drang der Mensch immer weiter in den Küstenbereich vor. Vor rund 1.000 Jahren begann der Mensch die Küsten der Nordsee dauerhaft zu besiedeln, indem er mit dem systematischen Deichbau begann. Dieses Bemühen wurde jedoch immer wieder von verheerenden Sturmfluten gestört.

„Beispielhaft für diesen ewigen Konflikt kann man sicherlich die „Weihnachtsflut“ in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember 1717 sehen“, betont Kapitän und Seelotse Ulrich Birstein als zweiter SDN-Vorsitzender. „Sie repräsentiert für das südliche Nordseeküstengebiet mit über 11.000 toten Menschen sowie 10.000‘en ertrunkenen Pferden, Rindern, Schweinen und Schafen sowie über 4.000 zerstörten Häusern eine der größten Naturkatastrophen der Neuzeit.“

„Allerdings“ betont Bauingenieur und Vorstandsmitglied der SDN Marcus Rudolph, „dass im Vergleich zu Früher der Mensch dazugelernt hat. Die modernen Deichlinien des „Goldenen Ringes“ sind wehrhaft gegenüber schweren Sturmfluten. Haben sie sich doch aus den Erfahrungen unserer vorhergehenden Generationen entwickelt, die trotz Rückschlägen nicht aufgaben.“

Ferner kann man feststellen, dass in den letzten Jahrzehnten nur drei schwere Sturmfluten hervorstachen. Dies war die zweite Julianenflut von 1962 die viele Menschenleben forderte. Sie führte dazu, dass der Goldene Ring komplett neu berechnet und verstärkt wurde. Dem folgte die sehr schwere „erste Januarflut“ 1976. Sie lief deutlich höher auf als die zweite Julianenflut. Hinterließ aber an der neuen Deichlinie kaum Schäden. Zudem 2013 der Orkan Xaver. Ebenfalls deutlich höher als 1962 und ebenfalls mit nur geringen Schäden. „Dank der Arbeit der Ehrenamtlichen in Niedersachsen und der staatlichen Stellen in Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig Holstein ist das Leben hinter den Deichen heute so sicher wie nie in der Vergangenheit“, betont Rudolph.

„Von daher müssen wir uns nicht damit befassen, den Menschen aus „tiefer liegenden Küstenregionen“ vollständig zurück zu ziehen, wie es die beiden Berliner Institutionen DMG und DPG unter anderem in ihrem Aufruf anregen“, betont Birstein. „Die Gefahr kommt heute eher durch Binnenhochwässer und die mangelnde Bereitschaft in Schöpfwerke an den Auslaufbauwerken in der Deichlinie zu investieren“, ergänzt Rudolph.

Einen aufmerksamen Blick verdient zweifellos der Meeresspiegelanstieg mit, laut Forschungsstelle Küste im NLWKN, durchschnittlich 2,5 mm pro Jahr. Wenn man also den Blick in die Zukunft richtet, sollte zügig damit begonnen werden, die Deichlinien zu verstärken, Kleilagerstätten für zukünftige Deichbaumaßnahmen vorzuhalten und an besonders gefährdeten Deichabschnitten über eine zweiter Deichlinie nachzudenken. „Und das unter gleichwertiger Abwägung aller berechtigten Nutzungsansprüche“, so Birstein.

Mit Sicherheit sei es keine Lösung, mit dem Verklappen mehr oder weniger belasteter Sedimente aus den Hafen- und Flussbaggerungen das Wattenmeer künstlich zu erhöhen. Zumal es in der Nordsee einen natürlichen Sedimenttransport im Gegenuhrzeigersinn mit mehreren 10 Mio. m³ im Jahr gibt, der diese Aufgabe bereits erfüllt.

„Wo wir als Gesellschaft jedoch dringend dran arbeiten sollten, ist die Reinhaltung der Nordseezuläufe aus den großen Flussgebieten mit ihren erheblichen Schmutzfrachten aus menschlichem Handeln“, appeliert Birstein. „Diese führen zunehmend zu einer Verschlechterung der Nordsee.“ Doch dies sei ein anderes Thema, mit dem sich die SDN ebenfalls beschäftigt.

Mit freundlicher Bitte um Beachtung und Veröffentlichung,

SDN Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V.

– Pressestelle –

Peter Andryszak

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Zusatz-Info 1:

DMG – Deutsche Meterologische Gesellschaft

DPG – Deutsche Physikalische Gesellschaft

NLWKN – Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz

Zusatz-Info 2:

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN)

ist ein überregionaler und gemeinnütziger Umweltschutz-Dachverband, der 1973 aufgrund umfassender Verschmutzungen der Nordsee ins Leben gerufen wurde. Seitdem engagiert sich die Schutzgemeinschaft sachlich-fachlich und partei-übergreifend für den Schutz der Nordsee als Lebens-, Wirtschafts- und Naturraum. Sie dient rund 200 Kommunen, Landkreisen, Naturschutzvereinen, Instituten, Verbänden und Einzelmitgliedern als Sprachrohr in die Öffentlichkeit sowie die Ministerialverwaltungen und Parlamente des Bundes und der vier Nordsee-Küsten-Länder. Gemeinsames Ziel: die Eigenarten und Schönheiten der Nordsee, des Wattenmeeres und der angrenzenden Küste vor schädigenden Eingriffen durch den Menschen zu schützen und Probleme des Nordseeschutzes einer Lösung zuzuführen.

Einige Maßnahmen der letzten Jahrzehnte, bei denen die SDN als Lobbyverband die Belange der Küste vertreten hat und die inzwischen als weitgehend abgearbeitet gelten dürften, sind die Dünnsäure-, Abfall-, und Klärschlammverklappung, das Notschleppkonzept, Antifouling, Luftüberwachung, Ballastwasser, Tankreinigung, MARPOL I bis IV sowie die Anschaffung moderner Notschlepper für Nord- und Ostsee, wie aktuell auch der Unterelbe.