Salz ist nicht gleich Salz

Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste SDN fordert stetige Reduzierung mitabsehbarem Ende der Einleitung von K+S-Industrieabwässern in Werra und Weser

Weser/Wattenmeer/Varel. „Der Umgang mit den flüssigen Abfällen aus der hessischen Kaliproduktion erzeugt eine Umweltverschmutzung ersten Ranges. Das muss endlich aufhören”, mahnt SDN-Vorsitzender und Bürgermeister Gerd-Christian Wagner, „oder zumindest muss sie stetig und vor allem glaubhaft reduziert werden.” Seit Jahrzehnten leite die in Kassel ansässige K+S Kali GmbH ihre im Kalibergbau entstehenden Abwässer in die Werra ein. Ein Verfahren, das gerade mit Blick auf die Wasserrahmenrichtline (WRRL-Richtlinie 2000/60/EG des europäischen Parlaments und des Rates) vom 23. Oktober 2000 rechtlich gar nicht zulässig wäre. Diese habe für europäische Gewässer, wie die Werra und die Weser, sowohl ein Verschlechterungsverbot als auch ein Verbesserungsgebot aufgestellt, um mindestens einen guten chemischen, physikalischen und ökologischen Zustand der Gewässer bis 2015 zu erreichen.

Nun müssten sich die Bundesländer im Einzugsgebiet der Weser bis Ende diesen Jahres auf einen Bewirtschaftungsplan „Salz 2021-2027“ verständigen. Dieser soll sicherstellen, dass die Flüsse gemäß der Vorgaben der WRRL bis zum Ende des Jahres 2027 den sogenannten „guten ökologischen Zustand“ erreichen. Bereits im März 2016 hatten deren Umweltministerien noch den Bewirtschaftungsplan 2015-2021 auf den Weg gebracht, um dieses Ziel zu erreichen zu können. Allerdings bestreite K+S mittlerweile die Machbarkeit der damaligen Einigung und habe nicht ohne Hinweis auf die vorhandenen Arbeitsplätze schon im April 2020 einen förmlichen Antrag zur Einleitung ihrer salzhaltigen Abwässer in die Werra gestellt, die weit über den Richtwerten dieser Vereinbarung lägen.

„Ohne Nachweis der Ungefährlichkeit behaupten Befürworter der Entsorgung in die Werra trotzdem, das die Einleitung von Salzlauge unproblematisch sei“, erläutert der SDN-Vorsitzende. „Aber Salzwasser ist nicht gleich Salzwasser!“ Die Abwässer der Kaliindustrie hätten eine völlig andere Zusammensetzung und Konzentration von Salzionen, Kalium und Magnesium als natürliches Seewasser und beinhalten zudem auch noch Schadstoffe und Lösungsmittel wie Aufbereitungshilfsstoffe aus der Produktion; mit gravierenden Verschmutzungsfolgen für die Ökosysteme von Werra, Weser und Wattenmeer sowie dem Grundwasser. „Die hohen Salzkonzentrationen zerstören das fragile Süßwasserökosystem der Flüsse und deren Fische wie auch Muscheln und andere Organismen reagieren darauf vermehrt mit Krankheiten“, so Wagner weiter. Etliche Arten seien mittlerweile sogar ausgestorben.

Jedoch scheinen bisher gesetzliche Vorgaben für die Kaliindustrie nicht zu gelten. „Seit Jahrzehnten wird diese Industrie zu Lasten der Umwelt von den Behörden mit Samthandschuhen angefasst. Salzlauge und belastete Sickerwässer verschmutzen Grund- und Fließgewässer. Und ein Ende dieses skandalösen Zustands ist auf die kommenden 40 Jahre nicht abzusehen“, stellt Wagner fest.

Somit fordere die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste, in erster Linie alle Möglichkeiten der Vermeidung von Abwasser und Abfall zu nutzen. Gutachterliche Vorschläge für eine »abschlagfreie Produktion« lägen bereits seit längerem auf dem Tisch und müssten geprüft wie umgesetzt werden. Eine Einleitung in die Werra und letztlich in die Nordsee dürfe erst in Betracht kommen, wenn wirklich alle Möglichkeiten der Vermeidung ausgeschöpft seien und sowohl Salzgehalt als auch Konzentration auf möglichst geringem Niveau gebracht würden, betont Gerd-Christian Wagner und stellt die Erwartung an die Umweltministerien in Hessen, Thüringen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bremen, sich bei den bevorstehenden Abstimmungen über den „Bewirtschaftungsplan 2021 bis 2027“ klar und unmissverständlich für die konsequente Reduktion der Salzeinträge einzusetzen, die ja nun schon seit 2016 beschlossen wären.

„Ich sehe hier ganz im Sinne des Beschlusses vom 24. März 2021 am Bundesverfassungsgericht eine Stärkung ökologischer Verantwortung und Nachhaltigkeit als unsere unbedingte Pflicht der Natur und besonders den folgenden Generationen gegenüber”, bestärkt der SDN-Vorsitzende seine Forderung.

Mit freundlicher Bitte um Veröffentlichung,

SDN Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V.

– Pressestelle –

Peter Andryszak

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SDN-Info-Broschüre:

Die Entsorgung von Kali-Industrieabwässern in die Nordsee“

In Hessen und Thüringen fördert die Kali + Salz AG Kali im Untertagebergbau. Dabei fallen gewaltige Mengen von Salzlauge an. Ein großer Teil wird in die Werra eingeleitet. Dies jedoch widerspricht der EU-Wasserrahmenrichtlinie, die einen guten ökologischen Zustand aller Gewässer fordert. Die Industrie-Abfälle müssen also künftig anderweitig entsorgt werden.

Auf der Suche nach einem Ausweg schlugen Anlieger von Werra und Weser vor, die Salzlauge per Pipeline direkt in die Nordsee zu leiten. Die Rede ist von bis zu zehn Millionen Kubikmetern jährlich! Jedem Mitglied der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e. V. stellen sich bei dieser Vorstellung die Nackenhaare auf. Um uns mit wissenschaftlich abgesicherten Argumenten in die Diskussion einbringen zu können, haben wir die Studie »Die Entsorgung von Kaliindustrieabwässern in die Nordsee« in Auftrag gegeben und im Sommer 2015 innerhalb unserer Schriftenreihe veröffentlicht.

Zurzeit werden mehrere Modelle des Umgangs mit den Abfallprodukten der Kali-Industrie berechnet und abgewogen. Es gibt also durchaus Alternativen. Auf welches Vorgehen die Kali + Salz AG und die involvierten Landesregierungen sich am Ende einigen werden, ist heute noch nicht absehbar. Aus Sicht der Nordsee-Anrainer in Niedersachsen, Hamburg und Schleswig-Holstein sollten die Zeiten, in denen Industrie-Abfälle in die Natur und deren Gewässer verklappt werden, jedoch vorbei sein.

Zu bestellen über: https://www.sdn-web.de/buecher/

Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN)

ist ein überregionaler und gemeinnütziger Umweltschutz-Dachverband, der 1973 ins Leben gerufen wurde und sich seitdem sachlich-fachlich und partei-übergreifend für den Schutz der Nordsee als Lebens-, Wirtschafts- und Naturraum engagiert. Sie dient rund 200 Kommunen, Landkreisen, Naturschutzvereinen, Instituten, Verbänden und Einzelmitgliedern als Sprachrohr. Gemeinsames Ziel: die Eigenarten und Schönheiten der Nordsee, des Wattenmeeres und der angrenzenden Küste vor schädigenden Eingriffen durch den Menschen zu schützen und Probleme des Nordseeschutzes einer Lösung zuzuführen.

Einige Maßnahmen der letzten Jahrzehnte, bei denen die SDN als Lobbyverband die Belange der Küste vertreten hat und die inzwischen als weitgehend abgearbeitet gelten dürften, sind die Dünnsäure-, Abfall-, und Klärschlammverklappung, die Anschaffung moderner Notschlepper, das Notschleppkonzept, Antifouling, Luftüberwachung, Ballastwasser, Tankreinigung, MARPOL I bis IV, u.a.m.

Die SDN ist Mitglied der KIMO International: www.kimointernational.org

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